28. Dezember 2024 Alles muss raus!

Der 501te Eintrag – ein Ärgernis

Gestern, am Jubiläumstag, sind zwei Merkwürdigkeiten passiert. Zum ersten Mal fand ich Kommentar-Spam in der Kritische Masse. Die hatte zwar noch keinen Inhalt außer ein paar leeren HTML-Tags. Doch freuen tut man sich darüber nicht.

Keine Ahnung, ob das was bringt: Jedenfalls müssen ab sofort alle Kommentare, die sich auf Texte beziehen, die älter als 30 Tage sind, “genehmigt” werden. Dem Stammpublikum kann ich allenfalls empfehlen, sich zu registrieren, dann kann man kommentieren bis die Finger bluten.

Heute nacht kam dann der erste genehmigungspflichtige Text an:
viel ahnung von musik scheinst du nicht zu haben huflaikhan oder wie immer Du auch heisst ! achso Du gehörst ja zu kritischen masse na dann …….

viel spass bein kritisieren [link]
Wurde zwar freigegeben, aber hat mich gewurmt. Denn diese Art von Kommentar liebe ich. Nee, ich habe überhaupt keine Ahnung von Musik, sonst könnte ich ja auch nicht so viel drüber schreiben. Beruflich bin ich nämlich Pharmazeut.

Mich hat das erinnert an einen Cluster für die nmz von 2001: Böse Onkels und die Leitkultur, der sich in der alten Enzyklopädie der Kritischen Masse findet. Da bekam ich dann einmal eine Email folgenden Inhalts:
du schreibst nur blödsinn…wenn du das nächste mal so was schreibst, würd ich mich erstmal informieren…wäre sinnvoller
Im Zentrum des Textes stand ein Napster-Scan eines Napster-Users, den ich für sehr aufschlussreich hielt:
So fand man bei einem User mit dem Namen „Megavolt99“ neben Otto, den Toten Hosen, den Guano Apes und Mike Oldfield, Fury in the Slaugtherhouse und den Cranberries auch die Nationalhymne der DDR und eine ganze Menge Material von Bands wie Kraftschlag („New White Order“, „Racemixer“, „Rasse und Nation“, „Klansmen“) oder Störkraft („Mein Opa war Sturmführer“), aber auch den rechten Liedermacher der NPD, Frank Rennicke („Und Adolf ist immer dabei“). Ist das nicht ein realistischerer Blick auf die aktuelle deutsche Kultur?
Dazu muss man noch erwähnen, dass dies überhaupt der am häufigsten abgerufene Text von mir im Internet ist. Warum wohl? Nicht, weil der so genial wäre, was er nicht einmal ist, sondern weil nach den genannten Bands und Titeln gesucht wird, vor allem den Letztgenannten. Das Interesse an dieser, ach ich weiß nicht wie ich die adäquat nennen soll, Musik ist da. Das macht mich stinkig. Genauso stinkig wie diese Angsthasen, die brav anonym einem “keine Ahnung” vorhalten einem sagen, man möge sich doch erst einmal “informieren”.

Was “da” aber beileibe nicht nur da abgeht, ist komplett enthirnt. Siggi Becker hat im Mehrzweckbeutel neulich auf so ein “Ästhetische Diskussion” im DMC-Weblog hingewiesen unter dem schönen Titel: Dokumente der ästhetischen Sozialgeschichte.

Jetzt muss ich zum Schluss noch einmal klug tun. Es gibt eine Stelle in einem Gespräch, das mit Pierre Bourdieu geführt wurde, die die Frage nach musikalischem Geschmack sehr deutlich vor Augen führt. Dort führt Bourdieu aus:
Musikerfahrungen wurzeln in der allerfrühesten Körpererfahrung. Es dürfte wohl keinen Geschmack geben — mit Ausnahme vielleicht des Eßgeschmacks –, der tiefer im Körper verwurzelt wäre als der Musikgeschmack. Daher kommt es auch, daß, wie LaRochefoucauld gesagt hat, »unsere Stolz eine Verurteilung unseres Geschmacks sehr viel schlechter erträgt als eine Verurteilung unserer Meinungen.« In unserem Geschmack drücken wir uns ja viel deutlicher aus und verraten uns viel mehr als in anderen Urteilen, etwa den politischen. Und nichts dürfte schwerer zu ertragen sein als anderer Leute »schlechter« Geschmack. Ästhetische Intoleranz kann eine furchtbare Gewalt entwickeln.

Pierre Bourdieu, Soziologische Fragen, Frankfurt/M. 1993, S. 148.
Eine solche Analyse erklärt mir zwar, warum die Reaktionen auf “missliebige” Kritiken im Bereich der Musik so ungerecht ausfallen, denn mit dem Geschmack kritisiert man, wie Siggi Becker im Mehrzweckbeutel, selten die Musik selbst, sondern die soziale Gruppe. Und einer, den das nicht interessiert, der Musik von Perotinus bis Xenakis, von Duke Ellington bis Aphex Twin hört, mit Interesse hört und zuhört, den gibt es in dieser Welt gar nicht. Sag mir, welche Musik du magst und ich sag dir, ob du mein Feind bist. Und wenns nicht bis zur Feindschaft reicht, dann unterstellt man eben einfach Unwissenheit. Weil man selbst “auf der richtigen” ästhetischen Seite steht, braucht man das ja auch nicht erklären.

So jetzt is aber auch gut. Zum Beruhigen ziehe ich mir erst einmal die beiden Streichquartette von Smetana rein, ist sinnvoller.

Gestern, am Jubiläumstag, sind zwei Merkwürdigkeiten passiert. Zum ersten Mal fand ich Kommentar-Spam in der Kritische Masse. Die hatte zwar noch keinen Inhalt außer ein paar leeren HTML-Tags. Doch freuen tut man sich darüber nicht.

Keine Ahnung, ob das was bringt: Jedenfalls müssen ab sofort alle Kommentare, die sich auf Texte beziehen, die älter als 30 Tage sind, “genehmigt” werden. Dem Stammpublikum kann ich allenfalls empfehlen, sich zu registrieren, dann kann man kommentieren bis die Finger bluten.

Heute nacht kam dann der erste genehmigungspflichtige Text an:
viel ahnung von musik scheinst du nicht zu haben huflaikhan oder wie immer Du auch heisst ! achso Du gehörst ja zu kritischen masse na dann …….

viel spass bein kritisieren [link]
Wurde zwar freigegeben, aber hat mich gewurmt. Denn diese Art von Kommentar liebe ich. Nee, ich habe überhaupt keine Ahnung von Musik, sonst könnte ich ja auch nicht so viel drüber schreiben. Beruflich bin ich nämlich Pharmazeut.

Mich hat das erinnert an einen Cluster für die nmz von 2001: Böse Onkels und die Leitkultur, der sich in der alten Enzyklopädie der Kritischen Masse findet. Da bekam ich dann einmal eine Email folgenden Inhalts:
du schreibst nur blödsinn…wenn du das nächste mal so was schreibst, würd ich mich erstmal informieren…wäre sinnvoller
Im Zentrum des Textes stand ein Napster-Scan eines Napster-Users, den ich für sehr aufschlussreich hielt:
So fand man bei einem User mit dem Namen „Megavolt99“ neben Otto, den Toten Hosen, den Guano Apes und Mike Oldfield, Fury in the Slaugtherhouse und den Cranberries auch die Nationalhymne der DDR und eine ganze Menge Material von Bands wie Kraftschlag („New White Order“, „Racemixer“, „Rasse und Nation“, „Klansmen“) oder Störkraft („Mein Opa war Sturmführer“), aber auch den rechten Liedermacher der NPD, Frank Rennicke („Und Adolf ist immer dabei“). Ist das nicht ein realistischerer Blick auf die aktuelle deutsche Kultur?
Dazu muss man noch erwähnen, dass dies überhaupt der am häufigsten abgerufene Text von mir im Internet ist. Warum wohl? Nicht, weil der so genial wäre, was er nicht einmal ist, sondern weil nach den genannten Bands und Titeln gesucht wird, vor allem den Letztgenannten. Das Interesse an dieser, ach ich weiß nicht wie ich die adäquat nennen soll, Musik ist da. Das macht mich stinkig. Genauso stinkig wie diese Angsthasen, die brav anonym einem “keine Ahnung” vorhalten einem sagen, man möge sich doch erst einmal “informieren”.

Was “da” aber beileibe nicht nur da abgeht, ist komplett enthirnt. Siggi Becker hat im Mehrzweckbeutel neulich auf so ein “Ästhetische Diskussion” im DMC-Weblog hingewiesen unter dem schönen Titel: Dokumente der ästhetischen Sozialgeschichte.

Jetzt muss ich zum Schluss noch einmal klug tun. Es gibt eine Stelle in einem Gespräch, das mit Pierre Bourdieu geführt wurde, die die Frage nach musikalischem Geschmack sehr deutlich vor Augen führt. Dort führt Bourdieu aus:
Musikerfahrungen wurzeln in der allerfrühesten Körpererfahrung. Es dürfte wohl keinen Geschmack geben — mit Ausnahme vielleicht des Eßgeschmacks –, der tiefer im Körper verwurzelt wäre als der Musikgeschmack. Daher kommt es auch, daß, wie LaRochefoucauld gesagt hat, »unsere Stolz eine Verurteilung unseres Geschmacks sehr viel schlechter erträgt als eine Verurteilung unserer Meinungen.« In unserem Geschmack drücken wir uns ja viel deutlicher aus und verraten uns viel mehr als in anderen Urteilen, etwa den politischen. Und nichts dürfte schwerer zu ertragen sein als anderer Leute »schlechter« Geschmack. Ästhetische Intoleranz kann eine furchtbare Gewalt entwickeln.

Pierre Bourdieu, Soziologische Fragen, Frankfurt/M. 1993, S. 148.
Eine solche Analyse erklärt mir zwar, warum die Reaktionen auf “missliebige” Kritiken im Bereich der Musik so ungerecht ausfallen, denn mit dem Geschmack kritisiert man, wie Siggi Becker im Mehrzweckbeutel, selten die Musik selbst, sondern die soziale Gruppe. Und einer, den das nicht interessiert, der Musik von Perotinus bis Xenakis, von Duke Ellington bis Aphex Twin hört, mit Interesse hört und zuhört, den gibt es in dieser Welt gar nicht. Sag mir, welche Musik du magst und ich sag dir, ob du mein Feind bist. Und wenns nicht bis zur Feindschaft reicht, dann unterstellt man eben einfach Unwissenheit. Weil man selbst “auf der richtigen” ästhetischen Seite steht, braucht man das ja auch nicht erklären.

So jetzt is aber auch gut. Zum Beruhigen ziehe ich mir erst einmal die beiden Streichquartette von Smetana rein, ist sinnvoller.

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4 Kommentare

  1. Hmpf. Mein illusionäres

    Hmpf. Mein illusionäres Brabbeln und Stemmen geht seit Jahrzehnten dahin, weg von der “Geschmacks”-Diskussion zu kommen. Mit Begrifflichkeiten aus der Entwicklungspsychologie, Semantik etc. Es muss eine Möglichkeit geben diesem Refugium des subjektiven Relativismussusses zu entkommen. Addy aus der Wiese hats glaub ich nich geschafft. Man braucht so seine Syssiphossen.
    Es sind Entscheidungen. Entscheidungen. Oder sagen wir affine Präfenrenzen.

  2. Natürlich kommt man raus

    Natürlich kommt man raus aus dem »subjektiven Relativismussus«. Dafür ist die Urteilskraft da. Ein Organ zwischen den Ohren und zwischen Haaransatz und Fußnagel.

Kommentare sind geschlossen.