Angeregt durch einen anderen Beitrag musste ich doch das alte Fotoalbum suchen. Jetzt habe ich nachgedacht und es finden können. Steht auch Fotoalbum drauf. Ein DIN-A5 Schreibheft, ein King-Produkt, 80 g holzfrei, Nummer 9. Rein dokumentarischen Charakter haben diese Bilder.
Das Foto rechts muss aus den ersten Tagen meiner Bekanntschaft mit dem ersten Fotoapparat stammen. Motive gibts keine, bzw. alles: Schön, wenn man dann sein erste Modell gefunden hat und eine ungewöhnliche Kameraposition. Was verlangt der Künstler mehr. Die stramme Haltung meines sechs Jahre jüngeren Opfers, welches ich in unseren Garten verschleppen konnte, zeigt an: »Ich war eine Respektsperson«. Mein Modell hat es weitgebracht. Er war, wenn nicht alles trügt, Kandidat für die FDP vor einigen Jahren, widmete sich unterdessen offenbar der Baugeschichte und hierbei besonders der Dokumentation jüdischer Synagogen, insbesondere der Lücken, die sie hinterließen oder der sie ersetzenden Überbauungen.
Zum guten Fotografen gehören zahlreiche Selbstportraits. Das hier stammt aus der Zorki-Zeit im Hausflur und im Spiegel wegen noch fehlendem Auslöser; ist also spiegelverkehrt. Die Haltung des Fotografen lässt die Vermutung zu, dass es sich um eine verhältnismäßig lange Belichtungszeit gehandelt haben muss (Blick auf die Uhr und Verwendung eines Stativs). Eine gewisse Unschärfe ist nicht das Ziel des Fotografen gewesen, nein, sie stammt auch aus der damaligen Mode, Bilder auf Matt-Papier abziehen lassen zu wollen. Interessant ist ferner das Detail »Brille«. Grundsätzlich galt damals das hilft zur Datierung eine Lebensdauer der Brille von drei Jahren. Brillen sind daher wie Drei-Jahres-Ringe, sofern man die Reihe der Brillen lückenlos füllen kann.
Beliebtes Objekt für Zorki-Fotografen waren vornehmlich sich wenig bewegende Objekte. Das Stil[l]leben spielt daher eine große Rolle. Wenn dann der junge Fotograf das Hoheitsgebiet der Mama betritt ist ihm zweierlei gerantiert: a) Die Mama fühlt sich geehrt bei ihrer Arbeit und b) es bewegt sich nicht so viel ;). Zum State-Of-The-Art gehörte auch in zivilisierten Gebieten ein sogenannter Boiler. Ein Gerät, welches man heute vielleicht als aufgehängten und solide verarbeiteten Wasserkocher bezeichnen kann. Heiß wird nur das, was man einfüllt. Die Stärke der Wärme ließ sich regulieren durch das Rädchen neben dem Schriftzug. Der Knopf in der Mitte aktiviert das Gerät, die große Lampe (rechts daneben) klärt darüber auf, ob noch geheizt wird. Drei Drehknöpfe? So ähnlich wie beim Klavier das dritte Pedal. Ein Knopf für “Kalt”, einer für die Zufuhr des geboilten Wassers und einer (links) zum Füllen des Boilers. Auch die zwei Hähne sind erklärungsbedürftig. Aus dem großen mit flexiblem Ende kommt das Wassergemisch aus Kalt- und Warm-Knauf. Der etwas schüchterne Hahn dient allein dem Überlauf. Also wenn man beim Auffüllen des Boilers nicht aufgepasst hatte und zuviel Wasser eingfließen ließ. Bei vollem erhitzten Boiler, hats da auch recht heftig rausgedampft.
Ein bisschen unklar scheint mir die Anbringung eines Flaschenöffners am rechten Rande des Bildes. Die Gummis hingegen sind absolut logisch. Sowohl dienten die dünnen Ringe zur Schnellverpackung zurückgehender Essensreste. Die Einmach-Gummis zeigen noch die besondere Vorratshaltung und Aufbewahrung von eingemachtem Obst an. Das Handtuch diente tatsächlich nur der Trocknung der Hände, nicht des Geschirrs.
Zur Datierung ein Wort: 220-Volt-Strom gab es schon. Aber ein Detail führt unzweideutig in die Mitte der 70er Jahre. Die an die Kachelwand geklebte Pril-Blume. Das war der letzte Schrei damals und klebte wohl in fast jeder Küche.
Angeregt durch einen anderen Beitrag musste ich doch das alte Fotoalbum suchen. Jetzt habe ich nachgedacht und es finden können. Steht auch Fotoalbum drauf. Ein DIN-A5 Schreibheft, ein King-Produkt, 80 g holzfrei, Nummer 9. Rein dokumentarischen Charakter haben diese Bilder.
Das Foto rechts muss aus den ersten Tagen meiner Bekanntschaft mit dem ersten Fotoapparat stammen. Motive gibts keine, bzw. alles: Schön, wenn man dann sein erste Modell gefunden hat und eine ungewöhnliche Kameraposition. Was verlangt der Künstler mehr. Die stramme Haltung meines sechs Jahre jüngeren Opfers, welches ich in unseren Garten verschleppen konnte, zeigt an: »Ich war eine Respektsperson«. Mein Modell hat es weitgebracht. Er war, wenn nicht alles trügt, Kandidat für die FDP vor einigen Jahren, widmete sich unterdessen offenbar der Baugeschichte und hierbei besonders der Dokumentation jüdischer Synagogen, insbesondere der Lücken, die sie hinterließen oder der sie ersetzenden Überbauungen.
Zum guten Fotografen gehören zahlreiche Selbstportraits. Das hier stammt aus der Zorki-Zeit im Hausflur und im Spiegel wegen noch fehlendem Auslöser; ist also spiegelverkehrt. Die Haltung des Fotografen lässt die Vermutung zu, dass es sich um eine verhältnismäßig lange Belichtungszeit gehandelt haben muss (Blick auf die Uhr und Verwendung eines Stativs). Eine gewisse Unschärfe ist nicht das Ziel des Fotografen gewesen, nein, sie stammt auch aus der damaligen Mode, Bilder auf Matt-Papier abziehen lassen zu wollen. Interessant ist ferner das Detail »Brille«. Grundsätzlich galt damals das hilft zur Datierung eine Lebensdauer der Brille von drei Jahren. Brillen sind daher wie Drei-Jahres-Ringe, sofern man die Reihe der Brillen lückenlos füllen kann.
Beliebtes Objekt für Zorki-Fotografen waren vornehmlich sich wenig bewegende Objekte. Das Stil[l]leben spielt daher eine große Rolle. Wenn dann der junge Fotograf das Hoheitsgebiet der Mama betritt ist ihm zweierlei gerantiert: a) Die Mama fühlt sich geehrt bei ihrer Arbeit und b) es bewegt sich nicht so viel ;). Zum State-Of-The-Art gehörte auch in zivilisierten Gebieten ein sogenannter Boiler. Ein Gerät, welches man heute vielleicht als aufgehängten und solide verarbeiteten Wasserkocher bezeichnen kann. Heiß wird nur das, was man einfüllt. Die Stärke der Wärme ließ sich regulieren durch das Rädchen neben dem Schriftzug. Der Knopf in der Mitte aktiviert das Gerät, die große Lampe (rechts daneben) klärt darüber auf, ob noch geheizt wird. Drei Drehknöpfe? So ähnlich wie beim Klavier das dritte Pedal. Ein Knopf für “Kalt”, einer für die Zufuhr des geboilten Wassers und einer (links) zum Füllen des Boilers. Auch die zwei Hähne sind erklärungsbedürftig. Aus dem großen mit flexiblem Ende kommt das Wassergemisch aus Kalt- und Warm-Knauf. Der etwas schüchterne Hahn dient allein dem Überlauf. Also wenn man beim Auffüllen des Boilers nicht aufgepasst hatte und zuviel Wasser eingfließen ließ. Bei vollem erhitzten Boiler, hats da auch recht heftig rausgedampft.
Ein bisschen unklar scheint mir die Anbringung eines Flaschenöffners am rechten Rande des Bildes. Die Gummis hingegen sind absolut logisch. Sowohl dienten die dünnen Ringe zur Schnellverpackung zurückgehender Essensreste. Die Einmach-Gummis zeigen noch die besondere Vorratshaltung und Aufbewahrung von eingemachtem Obst an. Das Handtuch diente tatsächlich nur der Trocknung der Hände, nicht des Geschirrs.
Zur Datierung ein Wort: 220-Volt-Strom gab es schon. Aber ein Detail führt unzweideutig in die Mitte der 70er Jahre. Die an die Kachelwand geklebte Pril-Blume. Das war der letzte Schrei damals und klebte wohl in fast jeder Küche.
Sehr schön wie Du den
Sehr schön wie Du den ahnungslosen Grünschnäbeln, die nichts anderes als eine Computertastatur und ein Handy bedienen können, die Funktionsweise dieses einfachen und gleichzeitig mystischen Geräts unserer Kindheit erklärst.
Ikonenbilder hingen bei uns nicht an der Wand. Selbst in unserem Kinderzimmer hing der Commandante, der Mao und solche Burschen. Typisch mein Vater.