Der Streit um Fragen von Kunst und Urheberrecht ist in den letzten Tagen am Beispiel zweier Adorno-Texte durch die Medien gegeistert. Den Ausgang nahm es in der taz mit dem Kommentar von Niklaus Hablützel, der die Forderungen der durch Anwälte vertretenen Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur als wenig gescheit empfand. Sebastian Lütgert, um den es dabei geht, hat auf seinen Seiten textz.com offenbar zwei Texte Adornos bereitgehalten. Der Briefwechsel zwischen Lütgert und Jan Philipp Reemtsma (als dem Vorstand der “Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur” (bzw. deren Anwälten) kann man nachlesen. Aber besonders aufschlussreich ist der nicht. Schließlich hat Reemtsma in einem Interview der taz dazu Stellung nehmen können. Das trug ihm einen Kommentar der Lütgert unterstüztenden Gruppe von monochrom und einen Kommentar “Katzen würden Adorno lesen” von Brigitte Zarzer in der “Telepolis” ein. In zahlreichen Weblogs (sofa, etc.pp. …) wurde über diesen Vorgang diskutiert.
Worum geht es denn?
Die einen sagen, um den freien Zugang zu wichtigen Texten, die anderen, um die Verteilung und Sicherung von Urheber- und Verwertungsrechten. Eigentlich ist die Sache klar. Ein Autor schreibt ein Text und schließt über die Verwertungsrechte dieses Textes Verträge ab – mit Verlagen zum Beispiel. Das hat Adorno gemacht, seinerzeit mit dem Suhrkamp-Verlag. Durch den Tod Adornos wurde die Sache etwas schwieriger, weil er selbst die Verwertungsrechte nicht mehr wahrnehmen konnte. Letztlich über verschiedene Wege sind sie gelandet bei der “Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur.” Ob das Adorno gut gefunden hätte oder nicht? Das ist nicht die Frage. Man kann sie einfach nicht beantworten.
Adorno selbst hat sich in seinen Texten nie konkret zur Frage des Urheberrechtes oder des “Geistigen Eigentums” geäußert. Es gibt nur einen kleinen Text, der damit in Verbindung gebracht werden könnte: “Musikalische Diebe, unmusikalische Richter” von 1934 (Gesammelte Schriften Bd. 17, S. 292-296). Und in dem geht es um die Verwendung musikalischer Idiome in verschiedenen Zeiten. “Die einzigen Dinge der Musik, die sich stehlen lassen, sind meßbare, zählbare Folgen von Tönen: Motive und Themen” (S. 292). Oder über Schuberts Musik, bei dem Themen wie Zitate klängen. “Aber um sie braucht kein Hörer sich Sorgen zu machen. Sie sind gefeit; niemand kann sie sich aneignen, weil sie kein Eigentum sind, sondern Figuren der erscheinenden Wahrheit selber. Sie lassen sich so wenig stehlen wie die authentischen Sprichwörter” (S. 296). Aber in dem oben genannten Zusammenhang ist dies kaum von Belang.
Da kann man vielleicht einmal anders herum fragen: Warum hat Adorno die Verwertungsrechte auf seine Texte so und nicht anders geregelt. Er hätte es machen können, aber er hat es nicht. Mercedes Bunz schreibt in der aktuellen De:Bug (80 – 03.2004) auf Seite 26: “Kultur als Ware war ihm ein Greuel.” Das mag sein, aber was heißt das im konkreten Verhältnis? War Adorno einfach nur blauäugig, als er mit Suhrkamp, mit rowohlt, mit Fischer Verträge über den Druck seiner Texte geschlossen hat? Ist das das Resultat seines Diktums aus den “Minima moralia”: “Es gibt kein richtiges Leben im falschen.”
Was mich wundert dabei, ist, dass so zahlreiche Menschen diese Fragen ganz schnell und einfach beantworten können. “Adorno hätte das alles nicht gefallen.” Aber wir können es schlichtweg nicht wissen. Adorno hat so und so gehandelt und es gebietet der Respekt vor der einmal gewählten Form seiner Handlung, dass man sich nicht zum Fürsprecher einer problematischen privaten Auslegung macht. Internet hin oder her. Wie gesagt, es steht jedem Autoren offen, seine Rechte in differenzierter Form wahrzunehmen – und das war auch schon früher so. Wie hält es denn ein Sennett, wie ein Virilio, wie ein Habermas, wie ein Vogl? Publizieren sie unter einer “creative-commons-Lizenz”. Dazu hätten sie die Möglichkeit, selbst vor Beginn des Projektes gehabt. Sind diese Herrschaften deshalb böse, dem Warencharakter verfallen, dumm? Sie machen es auf ihre Weise unter den gegenwärtigen rechtlichen Bedingungen, eben so, wie sie es wollen. Und das ist ihr Recht.
Brigitte Zarzer schreibt in der Telepolis schließlich:
“Internetzugang schließlich liegt vielen Menschen näher als die Staatsbibliothek, wie es die Hamburger Anwälte vorschlagen. Und warum sollte man für ein nicht kommerzielles Medienprojekt nicht auch intelligente Texte von Adorno nutzen dürfen? Würden die Verlage dadurch tatsächlich verhungern? Wäre es nicht viel eher Werbung, die eventuell auch zum Kauf von Adorno-Schriften animiert? Und last but not least: Ist es nicht schlicht und einfach erfreulich, im Web auch mal etwas Gescheites zu lesen?”
TP: Katzen würden Adorno lesen
Alles das sei zugegeben. Aber darüber entscheidet nun mal der Autor, wie er das handhaben möchte. Man kann ihm das vorschlagen, man kann es dem Verlag vorschlagen. Ob die Verlage verhungern würden? Ist das die Frage? Sie kalkulieren nach ihrem Ermessen – ob Suhrkamp dadurch verhungern würde, dass sie etwas zum freien Download anbieten oder gerade deshalb, weil sie es nicht tun? Das darf man den Autoren überlassen.
Wie gesagt, kein Autor, kein Komponist etc. ist dazu verpflichtet, einer Verwertungsgesellschaft beizutreten oder sich an einen Verlag zu binden. Als Urheber kann er Nutzungs- und Verwertungsrechte verwalten, wie er es will – ob er so oder so reich werden oder verhungern will. Mit dem Fall Adorno-Lütgert macht man es sich da von Seiten der Copyright-Gegner etwas einfach. Es gäbe aber genug lebende Autoren, mit denen man sich darüber auseinandersetzen könnte. Das hielte ich für gescheiter.
Der Streit um Fragen von Kunst und Urheberrecht ist in den letzten Tagen am Beispiel zweier Adorno-Texte durch die Medien gegeistert. Den Ausgang nahm es in der taz mit dem Kommentar von Niklaus Hablützel, der die Forderungen der durch Anwälte vertretenen Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur als wenig gescheit empfand. Sebastian Lütgert, um den es dabei geht, hat auf seinen Seiten textz.com offenbar zwei Texte Adornos bereitgehalten. Der Briefwechsel zwischen Lütgert und Jan Philipp Reemtsma (als dem Vorstand der “Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur” (bzw. deren Anwälten) kann man nachlesen. Aber besonders aufschlussreich ist der nicht. Schließlich hat Reemtsma in einem Interview der taz dazu Stellung nehmen können. Das trug ihm einen Kommentar der Lütgert unterstüztenden Gruppe von monochrom und einen Kommentar “Katzen würden Adorno lesen” von Brigitte Zarzer in der “Telepolis” ein. In zahlreichen Weblogs (sofa, etc.pp. …) wurde über diesen Vorgang diskutiert.
Worum geht es denn?
Die einen sagen, um den freien Zugang zu wichtigen Texten, die anderen, um die Verteilung und Sicherung von Urheber- und Verwertungsrechten. Eigentlich ist die Sache klar. Ein Autor schreibt ein Text und schließt über die Verwertungsrechte dieses Textes Verträge ab – mit Verlagen zum Beispiel. Das hat Adorno gemacht, seinerzeit mit dem Suhrkamp-Verlag. Durch den Tod Adornos wurde die Sache etwas schwieriger, weil er selbst die Verwertungsrechte nicht mehr wahrnehmen konnte. Letztlich über verschiedene Wege sind sie gelandet bei der “Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur.” Ob das Adorno gut gefunden hätte oder nicht? Das ist nicht die Frage. Man kann sie einfach nicht beantworten.
Adorno selbst hat sich in seinen Texten nie konkret zur Frage des Urheberrechtes oder des “Geistigen Eigentums” geäußert. Es gibt nur einen kleinen Text, der damit in Verbindung gebracht werden könnte: “Musikalische Diebe, unmusikalische Richter” von 1934 (Gesammelte Schriften Bd. 17, S. 292-296). Und in dem geht es um die Verwendung musikalischer Idiome in verschiedenen Zeiten. “Die einzigen Dinge der Musik, die sich stehlen lassen, sind meßbare, zählbare Folgen von Tönen: Motive und Themen” (S. 292). Oder über Schuberts Musik, bei dem Themen wie Zitate klängen. “Aber um sie braucht kein Hörer sich Sorgen zu machen. Sie sind gefeit; niemand kann sie sich aneignen, weil sie kein Eigentum sind, sondern Figuren der erscheinenden Wahrheit selber. Sie lassen sich so wenig stehlen wie die authentischen Sprichwörter” (S. 296). Aber in dem oben genannten Zusammenhang ist dies kaum von Belang.
Da kann man vielleicht einmal anders herum fragen: Warum hat Adorno die Verwertungsrechte auf seine Texte so und nicht anders geregelt. Er hätte es machen können, aber er hat es nicht. Mercedes Bunz schreibt in der aktuellen De:Bug (80 – 03.2004) auf Seite 26: “Kultur als Ware war ihm ein Greuel.” Das mag sein, aber was heißt das im konkreten Verhältnis? War Adorno einfach nur blauäugig, als er mit Suhrkamp, mit rowohlt, mit Fischer Verträge über den Druck seiner Texte geschlossen hat? Ist das das Resultat seines Diktums aus den “Minima moralia”: “Es gibt kein richtiges Leben im falschen.”
Was mich wundert dabei, ist, dass so zahlreiche Menschen diese Fragen ganz schnell und einfach beantworten können. “Adorno hätte das alles nicht gefallen.” Aber wir können es schlichtweg nicht wissen. Adorno hat so und so gehandelt und es gebietet der Respekt vor der einmal gewählten Form seiner Handlung, dass man sich nicht zum Fürsprecher einer problematischen privaten Auslegung macht. Internet hin oder her. Wie gesagt, es steht jedem Autoren offen, seine Rechte in differenzierter Form wahrzunehmen – und das war auch schon früher so. Wie hält es denn ein Sennett, wie ein Virilio, wie ein Habermas, wie ein Vogl? Publizieren sie unter einer “creative-commons-Lizenz”. Dazu hätten sie die Möglichkeit, selbst vor Beginn des Projektes gehabt. Sind diese Herrschaften deshalb böse, dem Warencharakter verfallen, dumm? Sie machen es auf ihre Weise unter den gegenwärtigen rechtlichen Bedingungen, eben so, wie sie es wollen. Und das ist ihr Recht.
Brigitte Zarzer schreibt in der Telepolis schließlich:
“Internetzugang schließlich liegt vielen Menschen näher als die Staatsbibliothek, wie es die Hamburger Anwälte vorschlagen. Und warum sollte man für ein nicht kommerzielles Medienprojekt nicht auch intelligente Texte von Adorno nutzen dürfen? Würden die Verlage dadurch tatsächlich verhungern? Wäre es nicht viel eher Werbung, die eventuell auch zum Kauf von Adorno-Schriften animiert? Und last but not least: Ist es nicht schlicht und einfach erfreulich, im Web auch mal etwas Gescheites zu lesen?”
TP: Katzen würden Adorno lesen
Alles das sei zugegeben. Aber darüber entscheidet nun mal der Autor, wie er das handhaben möchte. Man kann ihm das vorschlagen, man kann es dem Verlag vorschlagen. Ob die Verlage verhungern würden? Ist das die Frage? Sie kalkulieren nach ihrem Ermessen – ob Suhrkamp dadurch verhungern würde, dass sie etwas zum freien Download anbieten oder gerade deshalb, weil sie es nicht tun? Das darf man den Autoren überlassen.
Wie gesagt, kein Autor, kein Komponist etc. ist dazu verpflichtet, einer Verwertungsgesellschaft beizutreten oder sich an einen Verlag zu binden. Als Urheber kann er Nutzungs- und Verwertungsrechte verwalten, wie er es will – ob er so oder so reich werden oder verhungern will. Mit dem Fall Adorno-Lütgert macht man es sich da von Seiten der Copyright-Gegner etwas einfach. Es gäbe aber genug lebende Autoren, mit denen man sich darüber auseinandersetzen könnte. Das hielte ich für gescheiter.
Hatte Adorno wirklich die Wahl?
In dem Text wird davon ausgegangen, dass Adorno seine Werke genau so gut unter freier Lizens hätte publizieren können.
Hätte er das wirklich?
Schließlich brauchte er jemanden, der die Werke druckte. Es waren “Verträge über den Druck seiner Texte”, welche die Urheberrechtsfrage möglicherweise allein zum schtz der druckenden Verlage enthielten.
Weis jemand, ob es zu Adornos Zeit Alternativen gab?
Unwahrscheinlich.
Unwahrscheinlich. Alternativen gab und gibt es. Bekannt ist, dass durch Raubdrucke der “Dialektik der Aufklärung” sich die Autoren und der Verlag Horkheimers (Fischer) offenbar genötigt sahen, das Buch erneut doch herauszubringen.
guten tag,
guten tag,
die Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur hat Reden von Adorno auf youtube aus Gründen des Urheberrechts entfernt. Dabei ging es z.b. um “Aufarbeitung der Vergangenheit des NS Staates”.
Diese Reden bildeten einen niedrigschwelligen Zugang zu Wissen für Jugendliche und Interessierte, die keine Adorno Bücher besitzen.
Ich halte das für eine Unverschämtheit von der Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur!
Wie soll die Kultur gefördert werden – wenn sie nur noch kommerzialisiert wird. Das Wissen und Kultur werden somit zu einer käuflichen Ware. Die Eliten versuchen doch nur Ihre Monopolstellung um das Wissen zu schützen, weil sie ihre Machtstellung in Gefahr sehen.