Ist es Chanson oder ist es nicht? Jein. Für mich hat der Chanson immer den Ruch von französischer Schnoddrigkeit. Irgendwie klingt er automatisch nachgemacht. In eine Zeit transportiert, die eigentlich unrettbar vorbei ist. Corinne Douarres CD „Virages” gehört eben da nicht hinein, sondern ist neue, aktuelle Musik, die gleichwohl Anklänge zulässt. Das ist spannend, schön und ganz vielfältig hier. Auf ihrer Website fasst sie es als “nouvelle vague dieses Genres” zusammen. Das trifft es ganz gut.
Woran das liegt. Im Wesentlichen sind die Songs von drei Leuten eingespielt: Corinne Douarre (hauptsächlich Gesang), Torsten Puls (hauptsächlich Gitarren) und Marc Hausmann (hauptsächlich Klavier und Electronics). Dazu kommen eben ein Vielzahl weiterer Instrumente und gelegentlich weitere Musiker. Aber es ist eben (hauptsächlich) ein Trio, welches sich musikalisch vor allem im rhythmischen heraushebt. Das hat dann in der Struktur eine gewisse Kühle und durch die Weise des Gesangs und/oder Sprachduktus’ von Corinne Douarre auch etwas Distanziertes; was nicht heißt, die Musik sei gefühllos.
Genau das Gegenteil ist der Fall: In diesen musikalischen Betten kann jede Färbung sich herausheben und damit spontan entfalten. Man kennt es aus der alten Musik, wenn Passacaglien zu den feinsten Entwicklungen Platz bieten. Hier sind vielfach die Patterns im harmonisch-rhythmischen Bereich Ausgangspunkt (vor allem in „Partir” Track 11 oder “Berlin Mitte” Track 4 oder mit Kalimba in „Grillons” Track 5). Und immer mit dabei die fast subtil radikalen Gitarreneinschlüsse von Torsten Puls.
In meinen Ohren gibt es da Ähnlichkeiten zu zahlreichen Stücken von Bernd Begemann – nur damit man mal eine Vorstellung hat. Überhaupt ist da eine Ähnlichkeit in Anspruch und Ausdruck. Hier ist eben alles französisch und mit auch musikalischem Witz wie in den verschobenen Klängen in “Virages” Track 14) als Pop und Anti-Pop.
Eine wunderschöne CD, keine Massenware, Kammermusik zwischen Pop und (Chant)Song. Prima.
Die CD kann bestellt werden über die Internetseite von Corinne Douarre