Der Verband der phonographischen Wirtschaft hat eine neue Runde in der Diskussion zur Rettung der Musiklandschaft eingeläutet. So fordert man jetzt weitergehende Ergänzungen bei der Reform der Urheberrechts in einem zweiten Korb. Das runderneuerte Urheberrecht ist seit nur vier Tagen verbindlich, da kommen neue Vorschläge. Das ist auch die Aufgabe von Verbänden und nicht zu bemängeln. Über die Vorschläge, die umfangreich in das Sendeprivileg der Rundfunkanstalten eingreifen und andererseits digitale Privatkopien nur noch in sehr geregelter Weise zulassen wollen, ist zu diskutieren.
1. Das sogenannte Sendeprivileg
In dem Vorschlag des Verbandes der phonographischen Wirtschaft kann man lesen:
Das Urheberrechtsgesetz bestimmt in § 78 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 und § 86, dass die Sendung erschienener Tonträger uneingeschränkt erlaubt ist und lediglich einen Vergütungsanspruch für ausübende Künstler auslöst, an dem Tonträgerhersteller einen Beteiligungsanspruch haben. Mag diese Einschränkung bei ihrer Einführung 1965 vor dem Hintergrund ausschließlich öffentlich-rechtlicher Rundfunk-Vollprogramme noch hinnehmbar gewesen sein, ist sie inzwischen nach Zulassung privater Rundfunkanbieter und der Ausdifferenzierung der Hörfunklandschaft in immer spezialisiertere Spartenprogramme nicht mehr in derselben Weise gerechtfertigt, weil die spezifischen Musikwünsche direkt aus dem angebotenen Spartenprogramm befriedigt werden können (Formatradio, Zielgruppenorientierung). Diese Entwicklung ist dabei noch längst nicht an ihr Ende gekommen.
Das Sendeprivileg hatte vor allem eine Vereinfachung der Zahlungsweise für die Rechtenutzung zur Folge gehabt. Prinzipiell ist es auch heute noch nötig, Erlaubnis sämtlicher an der Musikproduktion beteiligten Personen einzuholen. Das wäre natürlich ein großer bürokratischer Aufwand, den man letzten Endes durch pauschale Abgeltungen „umgehen” konnte. Zu diesem Zwecke sind die LC-Codes auf zahlreichen CDs, Kassetten und Platten eingeführt worden. Wo immer dieser Code fehlt, ist die öffentliche Sendung ohne Rechteeinholung eigentlich nicht gestattet. Der Vorschlag des Verbandes der phonographischen Wirtschaft zielt aber auf eine derartige Rechteabgeltung. Das vorgebrachte Argument – nämlich die nach und nach eingetretene Aufgabe des Rundfunkauftrages zugunsten sogenannter Formatradios – ist sicherlich größtenteils richtig, aber in diesem Zusammenhang ohne Logik.
Als Lösung schlägt der Verband der phonographischen Wirtschaft vor:
Das so genannte Sendeprivileg sollte durch Gewährung eines exklusiven Senderechts für ausübende Künstler und Tonträgerhersteller aufgehoben werden. Sämtliche für seine Einführung 1965 vorgetragenen Gründe sind heute nicht mehr relevant. Insbesondere benötigt der öffentlich-rechtliche Rundfunk das Sendeprivileg nicht, um ein unbeeinflusstes Programm zu gestalten und seinem besonderen Auftrag der Grundversorgung nachkommen zu können (so noch Brack, Der Rundfunk in den Ministerialentwürfen zur Urheberrechtsreform, GRUR 1960, 165, 168). Hier hat sich gerade der gegenteilige Effekt verwirklicht: Im Wettbewerb mit den privaten Sendeunternehmen sind auch und gerade die öffentlich-rechtlichen Hörfunkprogramme überwiegend zu reinen Abspielstationen für erfolgreiche internationale Hits aus den Charts geworden. Die gesamte musikalische Vielfalt wird nicht repräsentiert, der Kulturauftrag ignoriert.
Auch die Befürchtung, Leistungsschutzberechtigte könnten zu Lasten von Urhebern die rundfunkmäßige Verbreitung von Musik verhindern, ist unbegründet. Solche Auswirkungen sind beispielsweise im Filmbereich, wo dem Hersteller bereits jetzt ein exklusives Senderecht zusteht, nicht eingetreten und auch im Musikbereich nicht zu erwarten. Denn natürlich sind auch die Leistungsschutzberechtigten an einer Auswertung ihrer Aufnahmen im Rundfunk interessiert und wollen sie nicht blockieren. Folge einer Abschaffung des Sendeprivilegs wäre lediglich, dass wie bereits im Filmbereich ein Marktplatz eröffnet würde, auf dem Senderechte verkauft werden könnten. Dabei könnten dann auch differenzierte Lizenzen (z.B. nach Repertoire oder Künstler) individuell ausgehandelt werden. Dabei sind die verschiedensten Gestaltungsmöglichkeiten denkbar, die eine ebenso unproblematische Administration erlauben wie die bisherige Praxis. Dazu zählt auch eine mögliche Kombination von individueller und kollektiver Wahrnehmung nach Ablauf eines Zeitfensters. Eine unzumutbare Belastung der Sendeunternehmen liegt darin nicht. Bereits heute schließen Rundfunksender Bemusterungsverträge mit Tonträgerherstellern; diese könnten zukünftig unproblematisch auch die Einräumung von Senderechten regeln.
Auch dieser Argumentation kann man sich nicht ganz verschließen. Das sind scharfe Pfeile in Richtung Kulturauftrag der Öffentlich-Rechtlichen Sender. Nur: Im Zusammenhang werden die Argumente stumpf. Will der Verband durch die Abschaffung des Sendeprivilegs in Zukunft tatsächlich die gesamte musikalische Vielfalt repräsentiert wissen? Kann man die Unzahl an CD-Produktionen, die täglich in den Redaktionen eingehen, tatsächlich mit dem viel kleineren Filmmarkt in Vergleich setzen? Das scheint meines Erachtens nicht sinnvoll zu sein. Das ließe sich noch am ehesten im Zusammenhang von Kleinem und Großem Recht in der Musik vergleichen. Auch im Großen Recht, werden für gewöhnlich die Rechte zwischen den Vertragspartnern direkt verhandelt – also urheberrechtlich gesehen vorbei an der GEMA. Damit ist auch ein weiterer Gegner des Verbandes der phonographischen Wirtschaft ausgemacht, denn die Erträge der GEMA im Bereich Rundfunk und Fernsehen betragen etwa 199 Mio. Euro. Das ist zwar ein großer Posten in der Ertragslage der GEMA, aber an und für sich ein sehr kleiner, wenn man bedenkt, wie voll mit Musik Rundfunk und Fernsehen sind. Wenn man zum Beispiel bedenkt, dass der Wechsel von Maria Carey (von Sony zu EMI) im Frühjahr 2001 allein 133,9 Mrd. Euro gekostet haben soll. Wo sind da die Dimensionen gewahrt?
2. Privatkopie
Während die GEMA noch die Aktion: Ja zur privaten Kopie unterstützt will der Verband der phonographischen Wirtschaft diese Möglichkeit stark einschränken. Analoge Kopien sollen weiter möglich sein, digitale nur noch im Bereich wissenschaftlicher Forschung. Selbst die Kopie für Archive soll nur noch in wenigen Ausnahmefällen gestattet sein.
Anders als bei der Privatkopie können bei den auch im öffentlichen Interesse liegenden Schranken des § 53 Abs. 2 UrhG unter bestimmten Voraussetzungen auch digitale Vervielfältigungen (von Musik- und Filmwerken) zugelassen werden. Dies gilt insbesondere für den wissenschaftlichen Gebrauch (§ 53 Abs. 2 Nr. 1). Einschränkungen sind aber bei Archiv-Vervielfältigungen (§ 53 Abs. 2 Nr. 2 UrhG) notwendig, um zu verhindern, dass über diese Hintertür doch wieder (digitale) Privatkopien ermöglicht werden. Digitale Vervielfältigungen sollten insoweit nur für im öffentlichen Interesse errichtete Archive (z.B. Deutsches Musikarchiv) zulässig sein.
Der Verband meint, dass die Erlaubnis der privaten Kopie im digitalen Zeitalter nicht mehr zieht:
Ein Festhalten an der bisherigen Struktur der so genannten Privatkopie ist im Musikbereich nicht mehr sachgerecht. Bespielbare CDs sind nicht einfach nur die moderne Form der MC. Zum ersten Mal ist es möglich, einen perfekten Klon, den identischen Zwilling einer CD mit allen Eigenschaften des Originals herzustellen. Das Aussteuern der Aufnahme, die Probleme beim Ausnutzen der Bandlänge und nicht zuletzt das mühselige Hin- und Herspulen beim Abspielen entfallen vollständig. Außerdem ist das Brennen von CD-Rs ungleich schneller und komfortabler sowie auch billiger als das frühere Überspielen auf Audio-Leerkassette.
Und schließlich und vor allem: Digitale Kopien können beispielsweise über das Internet unbegrenzt verbreitet werden. So haben sich ganze Kopiernetzwerke gebildet, in denen von einer Kopie immer weitere perfekte Kopien angefertigt werden. Mit der Privatkopie auf MC hat das alles nichts mehr zu tun. Das gilt im Übrigen gerade auch für den Umfang: Selbst zu Spitzenzeiten wurden nicht einmal halb so viele Audio-Leerkassetten verkauft wie jetzt CD-Rohlinge mit Musik bespielt werden.
Auch hier sind die Argumente nicht ganz aus der Luft gegriffen. Sicher ist die Erstellung von Kopien auch beim Übergang von Bandmaschinen zur Kassettenspielern einfacher geworden. Explizit die direkte Kassetten-Kopie mit Doppelplayern gehörte dazu. Bei einer CD ist die Kopiergeschwindigkeit noch schneller, das lässt sich kaum bezweifeln. Doch werden auch hier mit richtigen Thesen falsche Argumente geliefert. Gerade das zweite Argument der unerlaubten Verbreitung über das Internet ist durch das aktuelle Urheberrecht geregelt worden. Auch im alten Gesetz war dies schon eine nicht erlaubte Handlung. Es fällt damit nicht ins Gewicht. Auch trägt der Verband der phonographischen Wirtschaft nicht dem Umstand Rechnung, dass sich das Hörverhalten auch technisch verändert hat. Private Kopien dienen einerseits nach wie vor der eigenen Gestaltung von Musikprogrammen: eben dem Zusammenbrennen eigener Musikzusammenstellungen, die eben im CD-Player von Autoradios stattfindet. Somit ist die Einschätzung: Die Zulässigkeit von analogen Vervielfältigungen erscheint für die Befriedigung rein privater Bedürfnisse ausreichend. ein wenig weltfremd, wenngleich sie durchaus nachvollziehbar ist. Die Vorschläge des Verbandes laufen zudem in einigen Technikutopien zusammen.
Möglich ist ferner, mit dem Original-Tonträger den Zugang zu einem Online-Download-Angebot zu eröffnen, aus dem sich der Kunde die Musikaufnahmen (z.B. auf seinen MP3-Player) herunterladen kann. Eine weitere Option könnte darin bestehen, durch hard- und softwaregestützte Schutzsysteme abgegrenzte Haushalts-Freiräume zu schaffen, innerhalb derer das Kopieren unbeschränkt möglich wäre, wobei allerdings diese Kopien auf Geräten, die nicht zum (elektronisch identifizierten) Haushalt gehören, unabspielbar wären.
Schutzsysteme für abgegrenzte “Haushaltsfreiräume”, das klingt fast schon nach musikalischen Gefängnissen. Was man aber wirklich im Auge hat und auch sagt:
Diese Modelle zeigen, welche Möglichkeiten die Rückführung der Privatkopie in ein Exklusivrecht bietet: ein Markt für Privatkopien würde eröffnet.
Man will einfach eine weitere Ertragsquelle einführen. Das mag sich in dieser technischen Welt nicht einmal mehr auf das Medium der Privatkopie beziehen sondern kann auch die gesteuerte Nutzung (das Hören von Musik) betreffen. Denn auch bislang war es nicht möglich, zu steuern, wie häufig eine CD gehört wurde, was eigentlich ja auch keine gute Idee ist. Wenn mir ein Stück Musik gut gefällt und ich es gerne häufiger hören möchte, warum sollte ich nicht dann auch mehr dafür bezahlen. Mit den Modellen des Verbandes der phonographischen Wirtschaft könnte auch dies in absehbarer Zeit eine Option sein. Das wäre doch nur zu logisch.
Auf die Frage, wozu dann noch Vergütungen für Leermedien erforderlich seien, antwortet der Vorschlag:
Solange technische Maßnahmen noch nicht flächendeckend eingesetzt und insbesondere noch nicht durch die Vervielfältigungsgeräte unterstützt werden (also bislang überwiegend einseitig sind), werden weiterhin Kopien auch bei einem Verbot angefertigt werden. Ferner werden ebenfalls entgegen dem gesetzlichen Verbot des § 95a Abs. 1 UrhG Kopierschutzmaßnahmen von einzelnen Nutzern umgangen werden. Es stellt sich die Frage, zu wessen Lasten dies gehen soll. Es erscheint angemessen, den Vergütungsanspruch auch für solche Vervielfältigungen bestehen zu lassen.
Das wäre offensichtlicher Quatsch, weil auf diese Weise der ehrliche Nutzer noch einmal belastet würde. Doch den will man mit seinen Vorschlägen ja an sich binden und glücklich machen.
Produkte mit verschiedenen Kopieroptionen (zu unterschiedlichen Preisen) könnten angeboten werden, so wie es im Online-Bereich bereits heute der Fall ist (so sind z.B. im Download-Angebot von OD2 die Musikaufnahmen, die nicht kopiert werden können, billiger als solche, bei denen Kopieroptionen bestehen). Anstatt den Primärmarkt wie bislang zu substituieren, würde (auch zum Vorteil der Verbraucher) ein neuer (ergänzender) Markt eröffnet.
Was so sehr an diesem Positionspapier der Deutschen Landesgruppe der IFPI e.V. und des Bundesverbandes der Phonographischen Wirtschaft e.V. zum so genannten Zweiten Korb einer Urheberrechtsnovelle so schwer verdaulich ist, ist die Vermengung verschiedenster Argumentationen zum Zwecke der Revitalisierung der von ihr vertretenen Unternehmen. Dass der Musikindustrie durch veränderte Medien(-Landschaften) ein Teil ihres selbstverständlichen Verwertungszusammenhangs weggebrochen ist, ist unzweifelhaft. Wie sehr der Markt, den man heute beklagt, durch Verhaltens- und Produktionsweisen dieser Industrie erst hergestellt worden ist, dieser Frage weicht man aus. Natürlich ist die Öffentlich-Rechtliche Rundfunkslandschaft dabei, sich selbst zu ruinieren und ihren Auftrag infrage zu stellen. Natürlich gibt es private Kopien, die keine privaten Zwecke mehr erfüllen. Doch ob man dieser Entwicklung nur durch technische und gesetzgeberische Initiativen Herr werden kann, das muss man bezweifeln. Denn eigentlich zielt diese Positionspapier auf eine totale Marktkontrolle, die über die Gerätehersteller bis in die Privatsphäre von Menschen reicht; eine totale Musikindustrie wird da ausgemalt, neben der abspenstige Unternehmer gründlich vernichtet werden könnten – zum Beispiel, wenn diese Privatkopien zulassen würden, die dann auf den Geräten und den Haushalten schlicht nicht mehr funktionieren, weil sie die neuen Standards nicht einhalten. Dann muss man eben auf den Dachboden oder den Keller gehen und zusehen, ob nicht die alten Geräte doch noch funktionieren.
Es ist allerhand in dieser gegenwärtigen Musikwelt nicht zum Besten, aber die Vorschläge des Verbandes der phonographischen Wirtschaft wollen diese mit untauglichen Mitteln kurieren und könnten auf diese Weise noch mehr Schaden zufügen, als sie beheben. Aber es ist ja auch nur ein Positionspapier. Da wird es hoffentlich Gegenpapiere anderer an der Gesetzbildung Beteiligter geben. Und möglicherweise auch Gegenstimmen im eigenen Lager.
Martin Hufner
Das Positionspapier als pdf zum Downloaden.
Der Verband der phonographischen Wirtschaft hat eine neue Runde in der Diskussion zur Rettung der Musiklandschaft eingeläutet. So fordert man jetzt weitergehende Ergänzungen bei der Reform der Urheberrechts in einem zweiten Korb. Das runderneuerte Urheberrecht ist seit nur vier Tagen verbindlich, da kommen neue Vorschläge. Das ist auch die Aufgabe von Verbänden und nicht zu bemängeln. Über die Vorschläge, die umfangreich in das Sendeprivileg der Rundfunkanstalten eingreifen und andererseits digitale Privatkopien nur noch in sehr geregelter Weise zulassen wollen, ist zu diskutieren.
1. Das sogenannte Sendeprivileg
In dem Vorschlag des Verbandes der phonographischen Wirtschaft kann man lesen:
Das Urheberrechtsgesetz bestimmt in § 78 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 und § 86, dass die Sendung erschienener Tonträger uneingeschränkt erlaubt ist und lediglich einen Vergütungsanspruch für ausübende Künstler auslöst, an dem Tonträgerhersteller einen Beteiligungsanspruch haben. Mag diese Einschränkung bei ihrer Einführung 1965 vor dem Hintergrund ausschließlich öffentlich-rechtlicher Rundfunk-Vollprogramme noch hinnehmbar gewesen sein, ist sie inzwischen nach Zulassung privater Rundfunkanbieter und der Ausdifferenzierung der Hörfunklandschaft in immer spezialisiertere Spartenprogramme nicht mehr in derselben Weise gerechtfertigt, weil die spezifischen Musikwünsche direkt aus dem angebotenen Spartenprogramm befriedigt werden können (Formatradio, Zielgruppenorientierung). Diese Entwicklung ist dabei noch längst nicht an ihr Ende gekommen.
Das Sendeprivileg hatte vor allem eine Vereinfachung der Zahlungsweise für die Rechtenutzung zur Folge gehabt. Prinzipiell ist es auch heute noch nötig, Erlaubnis sämtlicher an der Musikproduktion beteiligten Personen einzuholen. Das wäre natürlich ein großer bürokratischer Aufwand, den man letzten Endes durch pauschale Abgeltungen „umgehen” konnte. Zu diesem Zwecke sind die LC-Codes auf zahlreichen CDs, Kassetten und Platten eingeführt worden. Wo immer dieser Code fehlt, ist die öffentliche Sendung ohne Rechteeinholung eigentlich nicht gestattet. Der Vorschlag des Verbandes der phonographischen Wirtschaft zielt aber auf eine derartige Rechteabgeltung. Das vorgebrachte Argument – nämlich die nach und nach eingetretene Aufgabe des Rundfunkauftrages zugunsten sogenannter Formatradios – ist sicherlich größtenteils richtig, aber in diesem Zusammenhang ohne Logik.
Als Lösung schlägt der Verband der phonographischen Wirtschaft vor:
Das so genannte Sendeprivileg sollte durch Gewährung eines exklusiven Senderechts für ausübende Künstler und Tonträgerhersteller aufgehoben werden. Sämtliche für seine Einführung 1965 vorgetragenen Gründe sind heute nicht mehr relevant. Insbesondere benötigt der öffentlich-rechtliche Rundfunk das Sendeprivileg nicht, um ein unbeeinflusstes Programm zu gestalten und seinem besonderen Auftrag der Grundversorgung nachkommen zu können (so noch Brack, Der Rundfunk in den Ministerialentwürfen zur Urheberrechtsreform, GRUR 1960, 165, 168). Hier hat sich gerade der gegenteilige Effekt verwirklicht: Im Wettbewerb mit den privaten Sendeunternehmen sind auch und gerade die öffentlich-rechtlichen Hörfunkprogramme überwiegend zu reinen Abspielstationen für erfolgreiche internationale Hits aus den Charts geworden. Die gesamte musikalische Vielfalt wird nicht repräsentiert, der Kulturauftrag ignoriert.
Auch die Befürchtung, Leistungsschutzberechtigte könnten zu Lasten von Urhebern die rundfunkmäßige Verbreitung von Musik verhindern, ist unbegründet. Solche Auswirkungen sind beispielsweise im Filmbereich, wo dem Hersteller bereits jetzt ein exklusives Senderecht zusteht, nicht eingetreten und auch im Musikbereich nicht zu erwarten. Denn natürlich sind auch die Leistungsschutzberechtigten an einer Auswertung ihrer Aufnahmen im Rundfunk interessiert und wollen sie nicht blockieren. Folge einer Abschaffung des Sendeprivilegs wäre lediglich, dass wie bereits im Filmbereich ein Marktplatz eröffnet würde, auf dem Senderechte verkauft werden könnten. Dabei könnten dann auch differenzierte Lizenzen (z.B. nach Repertoire oder Künstler) individuell ausgehandelt werden. Dabei sind die verschiedensten Gestaltungsmöglichkeiten denkbar, die eine ebenso unproblematische Administration erlauben wie die bisherige Praxis. Dazu zählt auch eine mögliche Kombination von individueller und kollektiver Wahrnehmung nach Ablauf eines Zeitfensters. Eine unzumutbare Belastung der Sendeunternehmen liegt darin nicht. Bereits heute schließen Rundfunksender Bemusterungsverträge mit Tonträgerherstellern; diese könnten zukünftig unproblematisch auch die Einräumung von Senderechten regeln.
Auch dieser Argumentation kann man sich nicht ganz verschließen. Das sind scharfe Pfeile in Richtung Kulturauftrag der Öffentlich-Rechtlichen Sender. Nur: Im Zusammenhang werden die Argumente stumpf. Will der Verband durch die Abschaffung des Sendeprivilegs in Zukunft tatsächlich die gesamte musikalische Vielfalt repräsentiert wissen? Kann man die Unzahl an CD-Produktionen, die täglich in den Redaktionen eingehen, tatsächlich mit dem viel kleineren Filmmarkt in Vergleich setzen? Das scheint meines Erachtens nicht sinnvoll zu sein. Das ließe sich noch am ehesten im Zusammenhang von Kleinem und Großem Recht in der Musik vergleichen. Auch im Großen Recht, werden für gewöhnlich die Rechte zwischen den Vertragspartnern direkt verhandelt – also urheberrechtlich gesehen vorbei an der GEMA. Damit ist auch ein weiterer Gegner des Verbandes der phonographischen Wirtschaft ausgemacht, denn die Erträge der GEMA im Bereich Rundfunk und Fernsehen betragen etwa 199 Mio. Euro. Das ist zwar ein großer Posten in der Ertragslage der GEMA, aber an und für sich ein sehr kleiner, wenn man bedenkt, wie voll mit Musik Rundfunk und Fernsehen sind. Wenn man zum Beispiel bedenkt, dass der Wechsel von Maria Carey (von Sony zu EMI) im Frühjahr 2001 allein 133,9 Mrd. Euro gekostet haben soll. Wo sind da die Dimensionen gewahrt?
2. Privatkopie
Während die GEMA noch die Aktion: Ja zur privaten Kopie unterstützt will der Verband der phonographischen Wirtschaft diese Möglichkeit stark einschränken. Analoge Kopien sollen weiter möglich sein, digitale nur noch im Bereich wissenschaftlicher Forschung. Selbst die Kopie für Archive soll nur noch in wenigen Ausnahmefällen gestattet sein.
Anders als bei der Privatkopie können bei den auch im öffentlichen Interesse liegenden Schranken des § 53 Abs. 2 UrhG unter bestimmten Voraussetzungen auch digitale Vervielfältigungen (von Musik- und Filmwerken) zugelassen werden. Dies gilt insbesondere für den wissenschaftlichen Gebrauch (§ 53 Abs. 2 Nr. 1). Einschränkungen sind aber bei Archiv-Vervielfältigungen (§ 53 Abs. 2 Nr. 2 UrhG) notwendig, um zu verhindern, dass über diese Hintertür doch wieder (digitale) Privatkopien ermöglicht werden. Digitale Vervielfältigungen sollten insoweit nur für im öffentlichen Interesse errichtete Archive (z.B. Deutsches Musikarchiv) zulässig sein.
Der Verband meint, dass die Erlaubnis der privaten Kopie im digitalen Zeitalter nicht mehr zieht:
Ein Festhalten an der bisherigen Struktur der so genannten Privatkopie ist im Musikbereich nicht mehr sachgerecht. Bespielbare CDs sind nicht einfach nur die moderne Form der MC. Zum ersten Mal ist es möglich, einen perfekten Klon, den identischen Zwilling einer CD mit allen Eigenschaften des Originals herzustellen. Das Aussteuern der Aufnahme, die Probleme beim Ausnutzen der Bandlänge und nicht zuletzt das mühselige Hin- und Herspulen beim Abspielen entfallen vollständig. Außerdem ist das Brennen von CD-Rs ungleich schneller und komfortabler sowie auch billiger als das frühere Überspielen auf Audio-Leerkassette.
Und schließlich und vor allem: Digitale Kopien können beispielsweise über das Internet unbegrenzt verbreitet werden. So haben sich ganze Kopiernetzwerke gebildet, in denen von einer Kopie immer weitere perfekte Kopien angefertigt werden. Mit der Privatkopie auf MC hat das alles nichts mehr zu tun. Das gilt im Übrigen gerade auch für den Umfang: Selbst zu Spitzenzeiten wurden nicht einmal halb so viele Audio-Leerkassetten verkauft wie jetzt CD-Rohlinge mit Musik bespielt werden.
Auch hier sind die Argumente nicht ganz aus der Luft gegriffen. Sicher ist die Erstellung von Kopien auch beim Übergang von Bandmaschinen zur Kassettenspielern einfacher geworden. Explizit die direkte Kassetten-Kopie mit Doppelplayern gehörte dazu. Bei einer CD ist die Kopiergeschwindigkeit noch schneller, das lässt sich kaum bezweifeln. Doch werden auch hier mit richtigen Thesen falsche Argumente geliefert. Gerade das zweite Argument der unerlaubten Verbreitung über das Internet ist durch das aktuelle Urheberrecht geregelt worden. Auch im alten Gesetz war dies schon eine nicht erlaubte Handlung. Es fällt damit nicht ins Gewicht. Auch trägt der Verband der phonographischen Wirtschaft nicht dem Umstand Rechnung, dass sich das Hörverhalten auch technisch verändert hat. Private Kopien dienen einerseits nach wie vor der eigenen Gestaltung von Musikprogrammen: eben dem Zusammenbrennen eigener Musikzusammenstellungen, die eben im CD-Player von Autoradios stattfindet. Somit ist die Einschätzung: Die Zulässigkeit von analogen Vervielfältigungen erscheint für die Befriedigung rein privater Bedürfnisse ausreichend. ein wenig weltfremd, wenngleich sie durchaus nachvollziehbar ist. Die Vorschläge des Verbandes laufen zudem in einigen Technikutopien zusammen.
Möglich ist ferner, mit dem Original-Tonträger den Zugang zu einem Online-Download-Angebot zu eröffnen, aus dem sich der Kunde die Musikaufnahmen (z.B. auf seinen MP3-Player) herunterladen kann. Eine weitere Option könnte darin bestehen, durch hard- und softwaregestützte Schutzsysteme abgegrenzte Haushalts-Freiräume zu schaffen, innerhalb derer das Kopieren unbeschränkt möglich wäre, wobei allerdings diese Kopien auf Geräten, die nicht zum (elektronisch identifizierten) Haushalt gehören, unabspielbar wären.
Schutzsysteme für abgegrenzte “Haushaltsfreiräume”, das klingt fast schon nach musikalischen Gefängnissen. Was man aber wirklich im Auge hat und auch sagt:
Diese Modelle zeigen, welche Möglichkeiten die Rückführung der Privatkopie in ein Exklusivrecht bietet: ein Markt für Privatkopien würde eröffnet.
Man will einfach eine weitere Ertragsquelle einführen. Das mag sich in dieser technischen Welt nicht einmal mehr auf das Medium der Privatkopie beziehen sondern kann auch die gesteuerte Nutzung (das Hören von Musik) betreffen. Denn auch bislang war es nicht möglich, zu steuern, wie häufig eine CD gehört wurde, was eigentlich ja auch keine gute Idee ist. Wenn mir ein Stück Musik gut gefällt und ich es gerne häufiger hören möchte, warum sollte ich nicht dann auch mehr dafür bezahlen. Mit den Modellen des Verbandes der phonographischen Wirtschaft könnte auch dies in absehbarer Zeit eine Option sein. Das wäre doch nur zu logisch.
Auf die Frage, wozu dann noch Vergütungen für Leermedien erforderlich seien, antwortet der Vorschlag:
Solange technische Maßnahmen noch nicht flächendeckend eingesetzt und insbesondere noch nicht durch die Vervielfältigungsgeräte unterstützt werden (also bislang überwiegend einseitig sind), werden weiterhin Kopien auch bei einem Verbot angefertigt werden. Ferner werden ebenfalls entgegen dem gesetzlichen Verbot des § 95a Abs. 1 UrhG Kopierschutzmaßnahmen von einzelnen Nutzern umgangen werden. Es stellt sich die Frage, zu wessen Lasten dies gehen soll. Es erscheint angemessen, den Vergütungsanspruch auch für solche Vervielfältigungen bestehen zu lassen.
Das wäre offensichtlicher Quatsch, weil auf diese Weise der ehrliche Nutzer noch einmal belastet würde. Doch den will man mit seinen Vorschlägen ja an sich binden und glücklich machen.
Produkte mit verschiedenen Kopieroptionen (zu unterschiedlichen Preisen) könnten angeboten werden, so wie es im Online-Bereich bereits heute der Fall ist (so sind z.B. im Download-Angebot von OD2 die Musikaufnahmen, die nicht kopiert werden können, billiger als solche, bei denen Kopieroptionen bestehen). Anstatt den Primärmarkt wie bislang zu substituieren, würde (auch zum Vorteil der Verbraucher) ein neuer (ergänzender) Markt eröffnet.
Was so sehr an diesem Positionspapier der Deutschen Landesgruppe der IFPI e.V. und des Bundesverbandes der Phonographischen Wirtschaft e.V. zum so genannten Zweiten Korb einer Urheberrechtsnovelle so schwer verdaulich ist, ist die Vermengung verschiedenster Argumentationen zum Zwecke der Revitalisierung der von ihr vertretenen Unternehmen. Dass der Musikindustrie durch veränderte Medien(-Landschaften) ein Teil ihres selbstverständlichen Verwertungszusammenhangs weggebrochen ist, ist unzweifelhaft. Wie sehr der Markt, den man heute beklagt, durch Verhaltens- und Produktionsweisen dieser Industrie erst hergestellt worden ist, dieser Frage weicht man aus. Natürlich ist die Öffentlich-Rechtliche Rundfunkslandschaft dabei, sich selbst zu ruinieren und ihren Auftrag infrage zu stellen. Natürlich gibt es private Kopien, die keine privaten Zwecke mehr erfüllen. Doch ob man dieser Entwicklung nur durch technische und gesetzgeberische Initiativen Herr werden kann, das muss man bezweifeln. Denn eigentlich zielt diese Positionspapier auf eine totale Marktkontrolle, die über die Gerätehersteller bis in die Privatsphäre von Menschen reicht; eine totale Musikindustrie wird da ausgemalt, neben der abspenstige Unternehmer gründlich vernichtet werden könnten – zum Beispiel, wenn diese Privatkopien zulassen würden, die dann auf den Geräten und den Haushalten schlicht nicht mehr funktionieren, weil sie die neuen Standards nicht einhalten. Dann muss man eben auf den Dachboden oder den Keller gehen und zusehen, ob nicht die alten Geräte doch noch funktionieren.
Es ist allerhand in dieser gegenwärtigen Musikwelt nicht zum Besten, aber die Vorschläge des Verbandes der phonographischen Wirtschaft wollen diese mit untauglichen Mitteln kurieren und könnten auf diese Weise noch mehr Schaden zufügen, als sie beheben. Aber es ist ja auch nur ein Positionspapier. Da wird es hoffentlich Gegenpapiere anderer an der Gesetzbildung Beteiligter geben. Und möglicherweise auch Gegenstimmen im eigenen Lager.
Martin Hufner
Das Positionspapier als pdf zum Downloaden.