Über 13 Jahre sind nun vergangen. Ossis und Wessis leben zusammen in einem Land. Die Grenzanlagen sind niedergerissen, denkt man. Schön, schön, schön – wäre es wenigstens so. Apropos “schön”: Als ich neulich meine Plattensammlung mit Musik von Gerhard Schöne bereichern wollte, ging ich in den ortsansässig besten Laden, eine profane Drogerie. Die jedenfalls haben an meinem Lebensmittelpunkt, neben Zahnpaste, Damenbinden und Parfum, einfach die größte Auswahl an CDs. In den Regalen fand ich Peter Maffay, Reinhard Mey, Udo Lindenberg und andere deutsche Musiker, aber weit und breit nichts von Gerhard Schöne, obwohl dieser – auch deutsche – Liedermacher nun wirklich kein Unbekannter ist. Also an den Informationstresen gegangen und nachgefragt man guckt ja manchmal an den falschen Stellen. Und siehe da, der Computer spuckte zahlreiche Titel aus. Prima, toll, kauf ich.
Doch dann ein paar wirre Blicke des Verkäufers: Schöne laufe unter Warengruppe 16 (Zahl von der Redaktion geändert) und die sei merkwürdigerweise gesperrt. Warum Schöne in einer gesperrten Warengruppe gelandet sei, wusste der Verkäufer nicht zu sagen. Zum Umsturz unserer freiheitlich-rechtlichen Grundordnung hat er soweit ich weiß auch nicht aufgerufen und andere verfassungswidrige Dinge sind mir von Schöne bisher ebenfalls nicht bekannt gewesen. Aber schließlich kann man sich ja mal täuschen. Also hat der auskunftgebende Unterkollege den allwissenden Ober-Kollegen gefragt und der sagte lapidar: Warengruppe 16 sei hier (in Westdeutschland, besser in Bayern, genauer in der Oberpfalz, ganz genau in Regensburg) gesperrt, weil sich derartige Musik hier (in Deutschland?, in Bayern?, genauer in der Oberpfalz?, auf jeden Fall in Regensburg!) nicht verkaufe, „kriegen ‘se hier nicht, steht auch nicht rum, können wir aber bestellen.” Da war sie also wieder, die Grenze zwischen den Ossis und den Wessis.
Gerhard Schöne kennt man im Westen einfach nicht und will man auch nicht kennen, doch warum? Zu vermuten ist, es ist die einfache Tatsache, dass er aus dem Osten ist, da wo die Chemie so schmutzig, das Eisen so verrottet und die Musikkultur so altmodisch ist. Das ist eben das “alte Deutschland” in den „neuen Ländern“, sollte man daher besser vergessen. Ich würde – pragmatisch wie ich bin – unseren Wessi-Lesern raten, sich selbst ein Bild zu machen, aber das Stigma „Warengruppe 16“ wird sie vermutlich hindern. Obwohl, es gibt ja noch das Internet.
Martin Hufner
Cluster sind eine ständige Rubrik der neuen musikzeitung
Über 13 Jahre sind nun vergangen. Ossis und Wessis leben zusammen in einem Land. Die Grenzanlagen sind niedergerissen, denkt man. Schön, schön, schön – wäre es wenigstens so. Apropos “schön”: Als ich neulich meine Plattensammlung mit Musik von Gerhard Schöne bereichern wollte, ging ich in den ortsansässig besten Laden, eine profane Drogerie. Die jedenfalls haben an meinem Lebensmittelpunkt, neben Zahnpaste, Damenbinden und Parfum, einfach die größte Auswahl an CDs. In den Regalen fand ich Peter Maffay, Reinhard Mey, Udo Lindenberg und andere deutsche Musiker, aber weit und breit nichts von Gerhard Schöne, obwohl dieser – auch deutsche – Liedermacher nun wirklich kein Unbekannter ist. Also an den Informationstresen gegangen und nachgefragt man guckt ja manchmal an den falschen Stellen. Und siehe da, der Computer spuckte zahlreiche Titel aus. Prima, toll, kauf ich.
Doch dann ein paar wirre Blicke des Verkäufers: Schöne laufe unter Warengruppe 16 (Zahl von der Redaktion geändert) und die sei merkwürdigerweise gesperrt. Warum Schöne in einer gesperrten Warengruppe gelandet sei, wusste der Verkäufer nicht zu sagen. Zum Umsturz unserer freiheitlich-rechtlichen Grundordnung hat er soweit ich weiß auch nicht aufgerufen und andere verfassungswidrige Dinge sind mir von Schöne bisher ebenfalls nicht bekannt gewesen. Aber schließlich kann man sich ja mal täuschen. Also hat der auskunftgebende Unterkollege den allwissenden Ober-Kollegen gefragt und der sagte lapidar: Warengruppe 16 sei hier (in Westdeutschland, besser in Bayern, genauer in der Oberpfalz, ganz genau in Regensburg) gesperrt, weil sich derartige Musik hier (in Deutschland?, in Bayern?, genauer in der Oberpfalz?, auf jeden Fall in Regensburg!) nicht verkaufe, „kriegen ‘se hier nicht, steht auch nicht rum, können wir aber bestellen.” Da war sie also wieder, die Grenze zwischen den Ossis und den Wessis.
Gerhard Schöne kennt man im Westen einfach nicht und will man auch nicht kennen, doch warum? Zu vermuten ist, es ist die einfache Tatsache, dass er aus dem Osten ist, da wo die Chemie so schmutzig, das Eisen so verrottet und die Musikkultur so altmodisch ist. Das ist eben das “alte Deutschland” in den „neuen Ländern“, sollte man daher besser vergessen. Ich würde – pragmatisch wie ich bin – unseren Wessi-Lesern raten, sich selbst ein Bild zu machen, aber das Stigma „Warengruppe 16“ wird sie vermutlich hindern. Obwohl, es gibt ja noch das Internet.
Martin Hufner
Cluster sind eine ständige Rubrik der neuen musikzeitung