25. November 2024 Alles muss raus!

Fundgrube

1955: Ein junger Privatdozent der Universität Erlangen legt einen umfangreichen Bericht mit dem Titel "Studien zur musikalischen Terminologie" der Mainzer Akademie der Wissenschaften und Literatur vor. Von der musikwissenschaftlichen Sprengkraft dieser immerhin 131-seitigen Abhandlung ist man schnell überzeugt. Dennoch dauert es gut zwanzig Jahre bis das Vorhaben, der geniale Entwurf des Privatdozenten auf eine gesicherte institutionelle Basis gestellt wurde.

1972: Der einstige Privatdozent hat es mittlerweile zum Ordinarius für Musikwissenschaft der Freiburger Universität gebracht. Sein Name: Hans Heinrich Eggebrecht. Es erscheinen die ersten Lieferungen des "Handwörterbuch der musikalischen Terminologie". Es steht damit zeitlich wie wissenschaftshistorisch in unmittelbarer Nähe zum "Historischen Wörterbuch der Philosophie" (hrsg. von Joachim Ritter, Basel 1971 ff.). Beide Werke sind zu einem unschätzbaren Bestandteil der Fachforschungen geworden, entstanden aus der Notwendigkeit, sich einerseits über die Sprache zu verständigen und sie in ihrer historischen Entwicklung, in ihren jeweiligen Bedeutungszusammenhängen zu verstehen.

1995: Ein erster praktikabler Ableger des Handwörterbuch erschien unlängst im Franz Steiner Verlag. Hier sind 35 Termini versammelt, die sich ausschließlich oder wesentlich mit der Musik des 20. Jahrhunderts befassen: von "Absolute Musik" über "Klangfarbenmelodie" bis "Zwölftonmusik". Hier scheint ein besonderer Klärungsbedarf vorhanden zu sein. In viel dichterer Folge werden Worte geprägt und an verschiedenen Orten, in unterschiedlichen Arbeitsfeldern entwickelt. Symptomatisch dafür ist, daß der Terminus "Atonalität" (ohnehin der längste Artikel des Bandes) mit 33 Seiten um 11 Seiten länger ist als der ältere der "Tonalität". Aber der Sonderband empfiehlt sich auch durch umfangreiche Verweise auf Quellentexte, die zum Teil ganz kuriose Beiträge zur Wortgeschichte enthalten. Im Artikel "Schlager" wird K. Blessinger in seiner Schrift "Judentum und Musik" folgendermaßen zitiert: "Im übrigen sind die grellen Instrumentaleffekte der Schlagermusik unzweifelhaft gerade in der Mahlerschen Symphonik stark vorgebildet."

Gewarnt werden soll aber vor dem vermeintlichen Anspruch, daß diese Publikation einen richtigen Gebrauch von Worten, Termini oder Begriffen lehre. Das war nie Absicht der Konzeption. Wohl aber wird eine eindringliche Lektüre abhelfen können, Termini unhistorisch in eine Eindeutigkeit – über Definitionen – zu überführen, die sie nicht haben können. Die Sprache ist ein lebendiges Organ, weil sie das ist, ist die Auseinandersetzung mit ihr spannend. Mit seinem günstigen Preis, verglichen mit dem forscherischen Aufwand, empfiehlt sich das Buch uneingeschränkt; nicht nur für Musikwissenschaftler.

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